Warum so viele Menschen jetzt ihre Jobs kündigen

„Ich bekomme keine Mitarbeiterinnen”, Führungskräfte stöhnen unter dem Fachkräftemangel wie nie zuvor. Gleichzeitig hinterfragen gerade jetzt Mitarbeiterinnen ihren Job oder die Form und Sinn ihrer Arbeit. Die Folge sind massive Umbrüche am Arbeitsmarkt, ein Tsunami der gerade von den USA nach Europa schwappt – „the great resgination“. Millionen von Mitarbeiterinnen verlassen gerade ihre Jobs, alleine seit April 2021 waren es in den USA mehr als 19 Millionen. Die Auswirkungen sind gravierend und für Unternehmen existentiell, was Sie als Führungskraft nun konkret tun können, darum geht es in diesem Beitrag.

The great resignation”

Die aktuelle Kündigungswelle stellt einen absoluten Höchstwert dar, mit massiven Auswirkungen auf Führungskräfte und Organisationen. „The big quit“ oder „the great resignation” verändert die Arbeitswelt grundlegend und radikal, so geben 40 % von befragten Mitarbeiterinnen (McKinsey Studie) an, dass sie in den nächsten drei bis sechs Monaten zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit kündigen werden. 18 % der Befragten gaben an, dass ihre Kündigung wahrscheinlich bis fast sicher ist, obwohl viele davon noch keinen neuen Job haben. Neuorientierung und Pathfinding ist jetzt für viele Menschen an der Tagesordnung, um das eigene Leben mit seinen Talenten in Einklang zu bringen.

Mangelnde Wertschätzung durch die Führungskraft ist die Hauptursache

Mitarbeiterinnen sehnen sich nach mehr Menschlichkeit in der Arbeit, das haben uns die letzten Monaten gezeigt. Viele sind müde, gestresst und überdreht, viele wünschen sich mehr Sinn in ihrer Arbeit. Wer darüber nicht schon vor der Pandemie nachgedacht hat, tut es mit großer Wahrscheinlichkeit jetzt. Laut der jüngsten LinkedIn Umfrage unter mehr als 25.000 Personen gaben 74 % an, dass die Pandemie sie dazu veranlasst hat, ihre Berufs- oder Karrierewahl zu überdenken. Wenn die Arbeitgeber gefragt wurden, warum ihre Mitarbeiter gekündigt haben, nannten sie als Gründe z.B. die Vergütung oder die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Das ist aber den Mitarbeiterinnen nicht so wichtig, denn sie nannten bei diesen Umfragen ganz andere Gründe für ihre Kündigung:

  • 54 % der Befragten fühlen sich nicht wertgeschätzt, vor allem von der direkten Führungskraft (52 % gaben dies an).

  • 51 %  fühlen sich am Arbeitsplatz nicht zugehörig, ohne Sinn im Tun zu erleben.

  • 75 % der Befragten gaben an, dass die Pandemie sie dazu gebracht habe, ihre Qualifikationen zu hinterfragen und sich nun weiter entwickeln wollen.

Wer ist betroffen?

Bei Arbeitnehmerinnen zwischen 30 und 45 Jahren ist die Kündigungsrate am stärksten gestiegen, mit einem durchschnittlichen Anstieg von mehr als 20 % zwischen 2020 und 2021. Während die Kündigungen in Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe und dem Finanzsektor leicht zurückgingen, kündigten im Gesundheitswesen 3,6 % mehr Mitarbeiter als im Vorjahr, in der Technologiebranche stiegen die Kündigungen sogar um 4,5 %. Allgemein waren die Kündigungsraten höher in Bereichen, in denen die Nachfrage aufgrund der Pandemie extrem gestiegen war.

Massive Auswirkungen auf das Unternehmen

Unternehmen und Führungskräfte reagieren auf diese Entwicklungen oft mit Geschäftigkeit, so erhöhen sie beispielsweise die Gehälter oder bieten andere finanzielle Vergünstigungen wie Dankesprämien an, ohne sich darum zu bemühen, die Beziehungen zu den Mitarbeiterinnen zu verbessern. Anstatt Wertschätzung zu empfinden, fühlen sich die Mitarbeiterinnen wie bei einer geschäftlichen Transaktion, sie sehen sich als austauschbare Ware.

The great resignation“ wird noch durch die Herausforderung des Fachkräftemangels potenziert. Laut einer Umfrage des ibw sagen 81 % der befragten österreichischen Unternehmen, dass sie zumindest leicht am Fachkräftemangel, 35 % sogar sehr stark zu leiden haben. Aufträge können nicht erfüllt werden, Kunden gehen verloren, egal welche Form, die Folgen sind fatal und existentiell für Unternehmen.

Was können Führungskräfte nun tun?

Führungskräfte dürfen sich nicht mehr hinter Methoden oder Pseudomanagement verstecken, sondern müssen sich als Menschen zeigen. Dieses Menschsein wird vor allem in gelungenen Beziehungen lebendig, das letztlich zu einer ehrlichen Wertschätzung führen kann. Aus diesem Grund sind es meiner Meinung nach die folgenden Fähigkeiten, die Führungskräfte gerade jetzt entwickeln müssen:

  • Gelungene Beziehungen leben:

Soziale Kontakte im Führungsalltag wirken heute oft wie “gemacht” oder “gekünstelt”, das was man sagt stimmt nicht mit dem überein, was uns tatsächlich bewegt. Die Folge sind Angepasstheit, Konformität, damit verbunden das Gefühl der Entfremdung und mangelnder Authentizität. Gelungene Beziehungen können aber nicht an Berater oder an Workshops delegiert, schon gar nicht durch Belohnungen ersetzt werden. Beziehungen reifen aus einem echten Interesse am anderen Menschen, mit dem Wunsch zu fordern und zu fördern, ohne manipulativen Hintergedanken. Menschen merken sehr wohl, wann sie “benutzt” werden, genau darin liegt oft mangelnde Wertschätzung begründet.

  • Zuhören:

Sprechen im Organisationsalltag gleicht oft Echokammern, es wird “getextet” ohne Resonanz oder Zuhören. Worte dienen oft der Selbstdarstellung oder Wichtigtuerei, ohne der Fähigkeit den anderen Menschen wahrzunehmen. Zuhören bedeutet aber nicht Passivität oder Tagträumen, sondern ist eine Form höchster Aktivität, was Präsenz, Achtsamkeit und Wahrnehmung erfordert. Jenseits von “Richtig und Falsch” ist das Gegenüber einfach Resonanzkörper, ohne zu bewerten oder zu analysieren. “Das Ich erfährt sich über das Du” hat Martin Buber gesagt, das ist auch die Basis gelungener Führung und Beziehung.

  • Wertschätzung:

Wertschätzung bedeutet nicht “manipulatives Lob” in Form eines “NLP Tricks”, um ein bestimmtes Verhalten beim anderen Menschen zu bewirken. Wertschätzung ist das natürliche und vitale Interesse am anderen Menschen, an seinen Interessen und Bedürfnissen, ohne gleich zu bewerten oder zu kategorisieren. Das erfordert Offenheit und Respekt, den anderen Menschen auch in seiner Andersartigkeit sein zu lassen. Darin liegt die Quelle von Wertschätzung, die nicht erkauft oder erzwungen werden kann.

Dafür brauchen Führungskräfte eine natürliche Präsenz, die aus einer reifen Persönlichkeit entsteht und letztlich als natürliche Autorität vom anderen Menschen wahrgenommen wird. Wertschätzung gelingt dann auf Basis eines ehrlichen Interesses an den Mitarbeiterinnen, das was sich jeder Mensch zutiefst wünscht, gesehen und wahrgenommen zu werden.

Diese Eigenschaften von Führungskräften gibt es weder im Sonderangebot, noch sind sie in einem Wochenendworkshop oder in einem MBA zu kaufen. Sie sind in jedem Menschen vorhanden, um diese zu entwickeln braucht es Geduld, Mut, Vertrauen und Offenheit, sich auf einen Entwicklungsprozess einzulassen, mit offenen Ausgang. Wer dazu bereit ist wird reichlich belohnt, mit der beglückenden Erfahrung von gelungenen Beziehungen, einer reifer Führung und einem stimmigen Leben.

Die aktuelle Kündigungswelle in Form der “great resignation” ist nur ein Symptom für eine stille Revolution in der Welt der Arbeit, hin zu mehr Authentizität, Echtheit, Wertschätzung und Menschlichkeit. Das ist am Ende die gute Nachricht, denn das ist was uns Menschen ausmacht, vor allem im Organisationsalltag.

Autor: Mag. Werner Sattlegger, Founder Art of Life

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Autor: Werner Sattlegger
Founder & CEO Art of Life

Experte für digitale Entwicklungsprozesse, wo er europäische mittelständische Familien- und Industrie-unternehmen von der Komfort- in die Lernzone bringt. Leidenschaftlich gerne verbindet er Menschen und Unternehmen, liebt die Unsicherheit und das Unbekannte, vor allem bewegt ihn die Lust am Gestalten und an Entwicklung.